21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Ziellos?

PRAXIS: Das mit den Zielen haben wir alle so verinnerlicht, dass sich vermutlich kaum noch jemand die Frage stellt, ob man überhaupt Ziele braucht. Für Unternehmen ginge es nicht ohne sie, sagt ein Professor, auch nicht für agile. Ein Coach erklärt, warum das mit Zielen nicht immer eine gute Idee ist. Und das hat mich nachdenklich gemacht.

Der Professor für Betriebswirtschaft, Klaus Watzka, erklärt in der Personalführung, dass es an der Zeit ist, das Management by Objectives zu rehabilitieren und die „Dinge wieder gerade zu rücken“ (Ehrenrettung für die Zielvereinbarung). Es sei in Mode gekommen, Zielvereinbarungen zu geißeln, in agilen Unternehmen, so scheint es, benötige man gar keine Ziele mehr. Das aber sei Unsinn.


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Warum? Weil Ziele die Voraussetzung die Überlebensfähigkeit einer Organisation sind. Ohne Ziele gibt es gar keine Probleme, denn diese sind nichts anderes als eine Abweichung zwischen Ist- und Sollzustand. Und der Sollzustand ist das Ziel. Wenn also ein agiles Unternehmen behauptet, man könne heutzutage gar keine Ziele mehr vereinbaren, weil die Zeiten unsicher sind und niemand weiß, was morgen wird, dann mag letzteres stimmen, aber die Vereinbarung, was jeder innerhalb der nächsten Tage, Wochen oder Monate zu erledigen hat, ist doch nicht anderes als eine Zielvereinbarung.

Ist- und Soll-Spiele

So gesehen geht es also bei der Kritik an Zielvereinbarungen um etwas anderes: Nämlich um so etwas wie Jahresziele und um die Kopplung der Zielerreichung an Prämien. Beides, zu dem Schluss kommt auch der Autor, sei in agilen Unternehmen eher nicht zu empfehlen. Wenn Boni, dann höchstens solche, die sich am Gesamterfolg der Organisation orientieren.

Bedeutet letztlich: Wann immer sich Menschen zusammentun, um gemeinsam etwas zu „unternehmen“, müssen sie sich auf darauf verständigen, wohin die Reise gehen soll, und das ist eben ein Ziel.

Dank eines Blogbeitrages des Kollegen Roland Kopp-Wichmann bin ich ins Grübeln gekommen („Ich hab immer vom Rentenalter geträumt“). Er beschreibt einen Coaching-Fall, bei dem ein ehemaliger Manager, der sich auf das Rentnerdasein gefreut hatte, kreuzunglücklich war, weil ihm plötzlich alle Ziele abhanden gekommen waren. Da hatte er wie viele andere davon geträumt, endlich dem Hamsterrad zu entkommen, endlich die Dinge zu tun, die ihm Spaß machen, ohne sich Sorgen um die Existenz machen zu müssen (ein Traum, den viele hegen). Und nun fühlte er sich orientierungslos: „Ohne Ziele ist doch alles sinnlos. Da dümpelt man so dahin.“

Gute Gewohnheiten

Roland Kopp-Wichmann hält nicht so viel von Zielen und plädiert für gute Gewohnheiten. Ich kann mir das Ziel setzen, 5 kg abzunehmen und dann jede Menge Zwischenziele mit mir vereinbaren. Ich kann mir vornehmen, ein Buch zu schreiben und festlegen, was ich bis wann geschafft haben will. Oder ich kann mir ein Karriereziel setzen („An meinem 40. Geburtstag bin ich Partner der Gesellschaft“) und vieles mehr.

Das Problem dabei: Ziele kann ich verfehlen und mich grämen. Ich kann es erreichen, aber viel später als erhofft und mich grämen. Ich schaffe es tatsächlich, freue mich kurz, brauche aber dann ein neues Ziel. Auf jeden Fall lebe ich ein Leben für die Zukunft, von der ich nicht mal weiß, ob sie stattfinden wird.

Was ist die Alternative? Eben die gute Gewohnheit. Ich jogge jeden Morgen eine halbe Stunde. Ich esse frisches Gemüse. Oder: Ich schreibe jeden Tag ein Kapitel meines Buches. Ich spiele jeden Tag ein halbe Stunde Klavier … Der Vorteil: Wenn ich ein Ziel verfehle, bin ich unglücklich. Wenn ich mal an einem Tag nicht jogge, ist das nicht so schlimm: „Ziele kann man verfehlen. Gute Gewohnheiten nicht.“

Weg mit der SMART-Formel

Soll heißen: Ein gutes Leben geht auch ohne Ziele – vielleicht ist es sogar sehr sinnvoll, auf sie zu verzichten. Mit gefällt das Beispiel mit dem Wandern: Ich kann mir vornehmen, einen bestimmten Ort zu erreichen und dazu jede Menge Zwischenziele festlegen. Ich kann aber auch einfach nur loswandern und schauen, wo ich am Ende lande. Ein Vorteil davon wäre, dass ich ganz neue Orte betrete. Ich werde auf jeden Fall irgendwo ankommen, weiß vorher nur nicht, wo. Kopp-Wichmann schreibt: „Wenn Sie öfter ohne Ziele leben, werden Sie Neuland betreten. Sie werden auch einige unerwartete Dinge lernen. Nicht immer wird es Ihnen gefallen, wo Sie landen. Aber es ist ungemein befreiend.“

Zurück zum Anfang: Vielleicht wäre es ja gar nicht so schlecht, wenn sich auch Unternehmen weniger intensiv mit Zielen beschäftigen würden. Laut Watzka brauchen Mitarbeiter Ziele, um Entscheidungen treffen zu können. Und ohne Ziele seien auch keine Kontrollprozesse möglich. Ist das so? Statt sich an Zielen zu orientieren, könnte man Prinzipien aufstellen. Und ein Controlling kann sich immer an den Zahlen der Vergangenheit orientieren – wieso muss es stets ein Soll-Ist-Abgleich sein? Wenn ich meinen Kontostand überprüfe, kann ich feststellen, ob er über dem des letzten Monats oder unterhalb liegt.

Spitzfindig, könnten Sie einwenden. Selbst wenn man kein konkretes Ziel benennt – hinter der guten Gewohnheit steckt es trotzdem. Hinter der Kontrolle des Kontostandes auch. Beim regelmäßigen Joggen lautet es Gesundheit, beim Kontostand vermutlich, diesen nicht unter einen bestimmte Wert fallen zu lassen, beim Wandern ohne festes Ziel, neue Dinge zu erleben.

Der Weg ist das Ziel

Aber darum geht es: Weg mit der SMART-Formel. Keine Festlegung auf Zeiträume, Messbarkeit, Konkretheit. Eher offene Ziele, vage formuliert, mit der Option, jederzeit einen neuen Weg einzuschlagen.

Wie die Geschichte mit dem Manager in Rente ausging und was das mit der Ente in einer Flasche zu tun hat, lesen Sie besser im Original bei Kopp-Wichmann nach. Es lohnt sich.

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