INSPIRATION: Bei jedem neuen Hype melden sich rasch die Kritiker, die uns aufzeigen, dass das neue Modell oder Verfahren eben alles andere als neu ist, erklären es zu altem Wein in neuen Schläuchen und haben auch gute Argumente, warum man nicht auf den Zug aufspringen sollte. Und dennoch – es gibt auch Gründe, es trotz allem zu tun.
Der Ablauf ist stets der Gleiche: Jemand schreibt ein Buch, in dem er aus einem erfolgreichen Beispiel ein Muster ableitet und das zu einem „neuen“ Ansatz aufhübscht, einen einprägsamen Begriff hierfür findet. Wenn er Glück hat, wird die Idee aufgegriffen und schon gibt es einen neuen Hype. Dass man sich diesem gar nicht völlig entziehen kann, ist auch klar, dafür sorgen einschlägige Publikationen in Zeitschriften, Bestseller oder solche, die es gerne wären, und natürlich die Beraterbranche. Es folgen schon bald die Artikel, die aufdecken, warum das alles nichts bringt, und dann schnell auch die dazu passenden Bücher. Aber dann ist die Karawane schon weiter gezogen.
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Wir bei MWonline zählen uns zu jenen, die schon früh einen kritischen Blick auf neue Trends werfen und sie mit dem vergleichen, was schon vor Jahren auf den Markt gekommen ist. Wenn uns also jemand wie Jens Kapitzky in der managerSeminare (Managementmoden wirken – anders als gedacht) erklärt, das es sich dennoch lohnt, sie im eigenen Unternehmen „an den Mann zu bringen“, dann sind wir natürlich neugierig.
Warum es sich dennoch lohnt
Eine der benannten Funktionen ist auch nicht neu: Solche Moden entlasten das Management und liefern eine Legitimation, Dinge zu verändern. Dann muss man sich nicht lange mit der Analyse der Zustände im eigenen Unternehmen aufhalten, sondern kann getrost auf das verweisen, was gerade alle beschäftigt und angeblich erfolgreich macht. Die alte Geschichte mit „Wenn unsere Konkurrenz das macht, können wir natürlich nicht zurückstehen.“
Da verfangen dann auch nicht solche Gegenargumente wie: Keine Organisation ist wie die andere, und die ideale gibt es schon gar nicht. Hauptsache, man hat etwas unternommen, schließlich ist man ja Unternehmer.
Aber dann gibt es da einen sehr realen Nutzen. In jeder Organisation findet man verborgene Themen, Dinge, die unter dem Radar laufen, oft sogar im Widerspruch zu den offiziellen Regeln. Die aber dafür sorgen, dass der Laden läuft. Jeder, der in einem Konzern gearbeitet hat, weiß, wie schwierig es ist, solche Erfahrungen zu benennen, sie auf die Tagesordnung zu setzen. Für mich immer wieder erhellend ein Erlebnis mit dem Thema „Zielvereinbarungen“, bei dem vielen klar war, dass sie, so wie das Verfahren konzipiert war (mit der Erfassung von Zielerreichungsgraden am Ende eines Jahres und daran anknüpfend eine Prämie), nicht wirklich Nutzen stiften konnten. Und wo dann unter der Hand mit allen möglichen Tricks gearbeitet wurde, damit die offiziellen Anforderungen erfüllt wurden. Wer das Problem offen ansprach, bekam zu hören: „Mag ja sein, aber jetzt haben wir das System nun mal, das werden wir nicht sofort wieder abschaffen.“
Legitimationsfunktion
Dann kommt eine neue Managementmode auf den Markt, und sie liefert den Anlass, solche verborgenen Praktiken ans Tageslicht zu zerren. Nun dürfen die Defizite und ihre inoffiziellen Bewältigungsstrategien plötzlich beleuchtet und formuliert werden. Mehr noch: Unter dem neuen Titel findet man häufig auch mächtige Verbündete, die sich dafür stark machen, weil ihnen die neue Mode zusagt.
Mit anderen Worten: Wenn mal wieder etwas Neues am Managementhorizont auftaucht, gelassen bleiben, prüfen, ob man damit längst fällige Veränderungen anstoßen oder zumindest reflektieren kann, wo man eigentlich steht. Ob das dann nun Agilität heißt, Reengineering, Empowerment, New Work oder was auch immer. Wir bei MWonline werden versuchen, beim nächsten Hype auch diesen Aspekt zu berücksichtigen und vielleicht etwas gnädiger damit umgehen. Vielleicht …