28. September 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Narzissmus: Problem oder Nebelkerze?

INSPIRATION: Der Reflex ist vielfältig beobachtbar: Wenn wir an miese, toxische Zeitgenossen denken, ist das Etikett Narzisst schnell zur Hand. Wer würde uns da einfallen? Donald Trump zum Beispiel? Oder Salvador Dalí, Al Capone … und all die anderen, kleineren Nummern im Panoptikum des Größenwahns? Narzissten überall und allgegenwärtig (Beim Hunderennen). Faszinierend! Sozusagen das Böse an und für sich. Und wenn wir dann noch die Psychopathen (Wladimir Putin?) und Machiavellisten hinzufügen, sind wir – mir nichts, dir nichts – bei der sog. Dunklen Triade der Persönlichkeit (Dark Potentials statt High Potentials). Drei Kreuze, Knoblauch, Holzpflock und Exorzismus – sonst hilft da wenig, könnte man meinen.

Doch wer einmal in der Kiste der Untoten gelandet ist, kommt da kaum mehr heraus. Auch in der Coaching-Forschung taucht das Thema auf (Harte Schale). Die Autoren (Mein Klient der Narzisst?) steigen da zunächst in die Begriffsgeschichte ein – von den alten Griechen über Freud bis zum „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (DSM) der American Psychiatric Association. 1980 wurde Narzissmus dort als psychische Störung aufgenommen. Doch wer weiß schon, dass Narzissmus als psychische Störung im Jahr 2022 aus der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 11) wieder herausflog. Wie das? Gibt es Narzissmus etwa nicht mehr?


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Das Verständnis hat sich gewandelt

„Die starre, alleinstehende Kategorie Narzissmus [hat] sich in der klinischen Praxis nicht als hilfreich erwiesen“. Wie jetzt? Hat nicht die Diagnose Narzissmus geholfen, „unerwünschtes Arbeitsverhalten, öffentliche Skandale und organisationales Versagen“ zu brandmarken? Selbstverständlich. Aber solches Tun hat auch immer eine Kehrseite: Eine Individualisierung und Personalisierung. Er (Meistens ein Er) ist das Problem! Problem erkannt, da liegt die Lösung auf der Hand: Der muss weg! Dem muss das Handwerk gelegt werden! An den Pranger, an den Galgen – wir kennen solche Reflexe. 

Problem gelöst. Oder doch nicht? Die Problemlösung ist eine sehr unsystemische. Gab es zum Symptomträger nicht auch immer einen Kontext? Ein Umfeld, das dessen toxisches Verhalten erlitt (die Mitarbeiter). Aber auch diejenigen, die die „schlimmen Finger“ gewähren ließen? Die deren Verhalten vielleicht sogar gut fanden? Weil nämlich die Geschäftszahlen super aussahen? Ein Umfeld, das wegsah, wenn es um die Kosten des Dramas ging? Sogenanntes narzisstisches Verhalten kann also positive wie negative Folgen haben. Es kommt auf die Perspektive an. Die einen verheizen das Mobiliar und die anderen wärmen sich am Feuer.

Ein Problem im Coaching?

Coaching-Forscherinnen vermuten, dass Narzissmus für Coaches ein Problem sein kann: Die „Burschen“ kommen nicht freiwillig, das würde ja ihrem Selbstbild widersprechen. Sie sind auch kaum kooperativ. Und die Coaches geraten vorauseilend in Stress und schneiden sich so unbewusst von ihren Ressourcen ab. Das Coaching droht ins Desaster abzugleiten. Die Autoren raten hier gleich zur Deeskalation und fragen: „Wie sinnvoll ist das Etikett ‚narzisstische/r Klient:in‘?“ Ist es nicht zu kurz gesprungen? Behindert es nicht mehr als es hilft? Störgefühle sollte man ernst nehmen, aber dann im Sinne von Übertragung / Gegenübertragung professionell, also differenziert explorieren. Sonst endet die Suche nach einer Erklärung vorschnell im plausibel erscheinenden Narrativ. Klappe zu … Man muss nicht weitersuchen – auch nicht bei sich selbst. Daher gelte es, unterschiedliche Hypothesen zu generieren, Heinz von Foerster lässt grüßen: Vermehre die Möglichkeiten! Und weiter: Fixe Eigenschaftsannahmen sollten verflüssigt werden: Was genau tut jemand in einer konkreten Situation, wenn andere sagen, er sei narzisstisch?

Ach ja: Stay cool! Dreimal tief durchatmen. Wenn das nicht immer schon ein guter Tipp gewesen ist. Danke für die Erinnerung!

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