1. Oktober 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Sklave in Ketten

Phantomschmerzen?

INSPIRATION: Das diesjährige New-Work-Barometer 2025 widmet sich dem Thema Führungsstile. Das mag einerseits verstören. Weil: Waren wir nicht schon mal weiter? Andererseits erscheint es mehr als logisch: Willkommen in der wirklichen Wirklichkeit!

Meine Hypothese offenbare ich gleich zu Beginn: Es geht um eine kognitive Dissonanzreduktion. Also darum, die Schmerzen, die beim Zusammentreffen von Utopie (New Work) und Realität (realexistierender Stand der Dinge) auftreten, konstruktiv zu verarbeiten. Und das vor den wachen Augen der Öffentlichkeit. Als Lehrstück sozusagen. Denn der didaktische, erklärende, aufklärende Impuls ist dem Hochschulprofessor (Autoritäre Führung im Rampenlicht) schlicht nicht auszutreiben. Und das ist gut so! Dafür lieben und bewundern wir ihn. Und er performt in diesem Job auch recht gut. Seine Mission währt nun schon etliche Jahre.


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Rückblende: New Work (Mit Empowerment zu New Work) scheucht die Wirtschaft auf. Doch wie so oft im Leben: Der Schuss wird zum Streifschuss. Das angeschossene Objekt der Begierde flüchtet sich ins „Unterholz“ und leckt seine Wunden. In Coronazeiten wird New Work mit Homeoffice gleichgesetzt – und verwechselt (Party isch over?). Das Nachfassen verbessert die Situation nicht unbedingt. Und auch dem Meisterschützen dämmert, „das Un-Tier“ lebt! Das Ancien Régime klammert sich an seine Illusionen (Wasch‘ mir den Pelz, aber …). Der Forscher übt sich im Reframing (New Work konsolidiert sich – doch). Aber vielleicht hat man zu Beginn schon geahnt, wie die Sache laufen wird … anyway …

Der Glaube an die starke Hand

Wir wechseln den Frame, schrauben das Objektiv Richtung Totale auf: Was passiert in unserer Wirtschaft? Wo stehen wir? Wie wollen wir leben? – Und man muss sagen: Das sind nicht die schlechtesten Fragen, die man stellen kann. Und insofern: Danke an den multimedial präsenten Professor, dass er Staub aufwirbelt, dass er uns den Spiegel vorhält, dass er Diskussionen anschiebt! Was will man mehr? Elfenbeinturm war gestern.

Folgen wir der Dramaturgie Schermulys, darf man sein letztes Buch natürlich nicht übergehen (Was Macht mit uns macht). Fragt man sich, warum in der Wirtschaft New Work nicht auf ungeteilte Zustimmung trifft, muss man wohl „tiefer graben“. Den autoritären Charakter findet man in Deutschlands Geschichte schließlich als Basso Continuo. Nicht erst seit den Führerexzessen der Nazis. Schon bei Heinrich Manns „Der Untertan“ und früher lässt sich diese Einstellung studieren. Aber Joseph Goebbels und Adolf Hitler sind natürlich die Exponenten dieser fatalen Entwicklung. – Und Protagonisten ihres unausweichlichen Absturzes.

Und der Gegenpol

Kurt Lewin, Psychologieprofessor an der Humboldt-Universität in Berlin, musste als Jude vor den Nazis ins Exil fliehen. Und sein wissenschaftliches Erkenntnisinteresse kreiste selbstverständlich um diese Frage: Ob „Führer befiel, wir folgen“ (=autoritäre Führung) tatsächlich die überlegene Strategie sei. Und seine Antwort lautete: Nein! Demokratische Führung ist viel besser. Und – Nebeneffekt – Laissez-faire, also weitgehende Ignoranz und Laufenlassen, ist ähnlich schlecht wie autoritäre Führung.

Hier knüpft der Forscher Schermuly an. Er befragt die 569 Praktiker:innen seines New-Work-Barometers zirka 80 Jahre nach Lewin zur aktuellen Verbreitung genau dieser Führungsstile in der Wirtschaft im DACH-Raum. Und siehe da: Der demokratische Führungsstil dominiert leicht überdurchschnittlich, aber signifikant, in den Augen der Befragten. Doch der autoritäre und auch der Laissez-Faire-Stil folgen sozusagen in Sichtweite. Der Blick auf Branchen zeigt dann, dass in den Sektoren Verkehr, Industrie und Verwaltung der autoritäre Stil eher stärker vertreten ist.

Das verleitet natürlich zu allerlei Interpretationen. So mag man, wie die Autoren, die überdurchschnittliche Ausprägung des autoritären Führungsstils im Bereich der Verwaltung beklagen. Doch sollte man erstens nicht vergessen, dass Regeltreue zu den Charakteristika der Verwaltung gehört, wie sie Max Weber konzipiert hat (Päpstlicher als der Papst). Und andererseits könnte doch auch verwundern und nachdenklich machen, wie stark die Wahrnehmung von Laissez-faire (Die Tramps von der Pfalz) in der Verwaltung ausgeprägt ist – sowie auch die Wahrnehmung von „demokratisch“ (Politik in der Werkstatt entwickeln). Also: Wollen wir mal die Kirche im Dorf lassen?

Der autoritäre Shift

Und das sagen im Grunde auch die Autoren, denen man nun genau diesen didaktischen Kniff der Dramatisierung vorwerfen kann: „In unseren Daten zeigt sich ein solcher Trend zu autoritärer Macht jedoch nicht.“ Außer Spesen nichts gewesen? Die Forschergruppe hat sich dann noch „Handlungs- und Problemfelder im Umgang mit Macht“ angeschaut: Gemeinsames Verständnis, definierte Machtbefugnisse, gleichberechtigte Ideenumsetzung und Probleme mit Machtmissbrauch. „Alle vier Bereiche sind in den Organisationen der Teilnehmenden (…) relativ niedrig ausgeprägt.“ Ok, da ist also noch Luft nach oben. Die Personal- und Organisationsentwicklung ist ausbaufähig – und -würdig. Keine wirklich neue Botschaft.

Was ist das Fazit? „Autoritäre Führung war nie weg“? Nun denn, es ist ja auch nicht so, dass 1933 braune Männchen vom Himmel fielen und 1945 alle wieder weg waren. Die Fakten sind klar: Demokratische Führung ist überlegen. Kein Grund also, sich verrückt machen zu lassen. Auch nicht in „schwierigen Zeiten“.

Aber was wissen wir schon von schwierigen Zeiten? Meine Mutter hat als Kind ihre Nächte im Bunker verbracht, meine Generation nicht. Wer weiß, ob uns, unseren Kindern und Enkeln solches wieder bevorsteht? Aber eines wissen wir jetzt schon: Autoritäre Visionen sind Illusionen. Und dieses Wissen ist Macht!

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Thomas Webers

Dipl.-Psych., Dipl.-Theol., Fachpsychologe ABO-Psychologie (DGPs/BDP), Lehrbeauftragter der Hochschule Fresenius (Köln), Business-Coach, Publizist

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Ein Gedanke zu “Phantomschmerzen?

  1. Wer das Geld hat, bestimmt die Musik. War so, is so und wird immer so bleiben.

    Autoritäre Führung muss nichts Schlechtes ein: Autoritas = aus der Person heraus. Wer einer Person Entscheidungen missgönnt muss das Kollektiv wollen. Sozialismus will aber keiner. Es laut also die Frage: Wie kann Macht sinnvoll eingehegt werden?

    Alles andere ist akademischer Blah.Blah.

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