INSPIRATION: In den westlichen Nationen steigt die Nachfrage nach populistischen Führern – der altbekannte Ruf nach dem „starken Mann“. Viele Menschen sind offenbar unzufrieden mit dem Ist-Zustand. Und das basiert auf dem „natürlichen Defizit“ von Demokratien, dass sie nämlich langsam sind. Und dass Entscheidungen häufig nur langsam umgesetzt werden. Denn selbst wenn ein Vorgehen mit Mehrheit beschlossen wurde, heißt das ja noch nicht, dass anschließend alle mit Begeisterung an die Umsetzung gehen. Und das passiert natürlich auch bei offensichtlich dringlichen Dingen.
Und genau das erhofft man sich von den autoritären Führern. Dinge rasch zu entscheiden und ebenso schnell umzusetzen. Setzt aber voraus, dass diese über das notwendige Wissen verfügen. Oder sich auf die Urteile von Menschen verlassen, die all das Wissen besitzen, das ein einzelner Autokrat gar nicht haben kann. Dafür dann hoffentlich ein perfekter Menschenkenner ist, der nur solche Experten auswählt, die die passenden Lösungen kennen. Und selbst wenn er das könnte: Das Wissen, wie Wohlstand und Fortschritt entsteht, hat kein Einzelner, es entsteht „erst durch Interaktion“.
Und schon wird deutlich, dass das irgendwie utopisch ist. Der weise Herrscher, der über diese Fähigkeiten verfügt, existiert nicht, ein unerfülltes Ideal (Demokratie schlägt Autokratie). Und selbst wenn er die besten Absichten hätte – irgendwann, so zeigt die Geschichte, wird er seine Macht nutzen, um eben diese Macht zu bewahren, um ihre Privilegien und Interessen zu schützen. Was mit Unterdrückung und Einschränkungen von Freiheiten möglich ist.
Gut für den Wohlstand?
Die interessante Frage ist, ob das mit der Durchsetzung von Ideen überhaupt einen Vorteil hat, zum Beispiel den des wirtschaftlichen Wohlergehens der Bevölkerung? Der Volkswirt erklärt, dass kurzfristig das durchaus funktioniert, allerdings sei das Wachstum „extraktiv und substanzverzehrend“. Sobald die Ausbeutungsquellen ausgeschöpft sind, ist es vorbei mit dem Fortschritt. Neues entsteht eher nicht. Soll heißen: All die Versprechungen der Populisten sind auch wirtschaftlich kaum realistisch.
Und was ist mit China? Es stimmt, der dortige Staatskapitalismus hat das Einkommen vieler Bürgern deutlich verbessert und deren Lebenschancen erhöht. Aber das Pro-Kopf-Einkommen liegt immer noch deutlich unter dem der demokratischen Länder, was zeigt, „dass ein Großteil seiner derzeitigen Macht auf seiner schieren Größe beruht.“ Die Entwicklung dürfte sich daher kaum so fortsetzen.
Der Glaube an die Weisheit des mächtigen Führers ist aber nicht nur eine Folge der Unzufriedenheit mit der Schwerfälligkeit demokratischer Strukturen. Nun kommt hinzu, dass der Glaube an die zentrale Steuerbarkeit der Wirtschaft wieder neue Nahrung bekommen hat. Dank des technischen Fortschritts, so wohl die Idee, wird es gelingen, doch alle notwendigen Informationen zusammenzuführen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und die notwendigen Entscheidungen zu treffen.
Womit man auf Diskurs, Austausch und gegenseitige Inspiration, fachliche Auseinandersetzung und ein Ringen um die beste Lösung schon bald ganz verzichten kann. Dann müssen wir unser Wohl nur noch in die Hände derjenigen legen, die den Zugriff auf diese Technik haben. Vermutlich ist es das, wovon die Tech-Unternehmer eigentlich träumen. Gruselig?