21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Den Verlockungen widerstehen

KRITIK: Die Verhandlungsführung ist – wie jede:r weiß – eine hoch emotionale Sache. Doch das klassische Harvard-Konzept ist traditionell eher nüchtern sachlich gestrickt. Das hat sich inzwischen geändert. Doch reicht das?

Das Harvard-Konzept ist der (!) Klassiker der Verhandlungsführung. Person und Sache trennen. Interessen hinter den Positionen herausarbeiten … 24. Auflage, zahlreiche Zusatzveröffentlichungen und Trainingsmanuale (Vollständiges Paket für Verhandlungstrainer): Alles gesagt? Daniel L. Shapiro, den Thomas Schumacher, Redakteur der Organisationsentwicklung, interviewt (Die Nuancen erkennen), berichtet von einigen neuen Erkenntnissen, die inzwischen auch in Buchform veröffentlicht wurden. Shapiro unterscheidet drei Ebenen im Umgang mit Konfliktsituationen:


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  • Rationalität: „Hier geht es darum, dass wir den Konflikt als ein zu lösendes Problem betrachten.“ Interessenbasierte Verhandlungsführung ist hier die Methode der Wahl. Wenn man beide Parteien dazu bewegen kann, über die eigene Position hinauszudenken, gerät das ganze Bild in den Blick und man kann Lösungen entwickeln, „die besser sind als ihre Ausweichmöglichkeiten“ – so die altbekannte Erkenntnis.
  • Emotionalität: „Selbst eine objektiv großartige Vereinbarung kommt möglicherweise nicht zustande, wenn die Emotionen nicht wirksam angesprochen werden.“ Im Harvard-Konzept habe man inzwischen einen praktischen Rahmen dafür entwickelt: Core-Concerns-Framework. Es gilt, in Verhandlungssituationen positive Emotionen zu stimulieren, die Grundbedürfnisse adressieren und bewahren (Zugehörigkeit, Autonomie, Wertschätzung, Status, Rolle).
  • Identität: Wenn man Identität als feste, unveränderbare Größe betrachtet, kann es im Konfliktfall nur ein Entweder/Oder geben. Kernidentität bezieht sich auf die Merkmale, die einen als Person oder Gruppe ausmachen (Werte, Überzeugungen et cetera). Beziehungsidentität bezieht sich hingegen auf Merkmale, die den Raum zwischen den Parteien beschreiben.

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Shapiro erzählt ein schönes Beispiel dafür, wie man einer Gruppe von Menschen respektvoll die verhängnisvolle Gruppendynamik der Konflikteskalation verdeutlichen kann. In einem Spiel, das er die Stämme-Übung nennt, lässt er einen Außerirdischen auftreten, der die Zerstörung der Welt ankündigt. Wenn nicht … Die zuvor auf Gruppenidentität eingeschworenen Teilnehmenden schaffen es in der Regel nicht, aus dem Konkurrenzkampf auszusteigen und die Katastrophe abzuwenden. In der Sozialpsychologie werden experimentelle Nichtnullsummenspiele wie das Gefangenendilemma schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts verwendet. Erfahrene Konfliktmanagementtrainer werden vermutlich ähnliche Varianten wie das sogenannte Heringsdilemma (Fischereispiel) kennen. Das Ausleben der Konkurrenz „verkleinert den Kuchen“, die „Bank“ gewinnt und alle Spieler verlieren.

5 Verlockungen

Shapiro beschreibt typische Verlockungen für eine spalterische Denkweise durch emotionale Verstrickung:

  • In Schwindel geraten: Man lässt sich emotional in den Konflikt hineinziehen.
  • Dem Zwang zur Wiederholung verfallen: In Konflikten wiederholt man alte Muster.
  • Tabus meiden: Es ist riskant, aber oft lohnend – Tabus zu brechen.
  • Das Heilige angreifen: Schütten Sie kein Benzin ins Feuer!
  • Das Wir zur Abgrenzung nutzen: Statt exklusiv kann man das Wir auch verbindend nutzen – so die Idee des afrikanischen Ubuntus wie es beispielsweise Nelson Mandela und Desmond Tutu praktizierten.

In der Tat lässt sich eine Entwicklung im Harvard-Konzept beobachten. Vom ursprünglich stark kognitiv-rationalen Vorgehen hin zu einer stärkeren Berücksichtigung des Emotionalen. Das ist zu begrüßen, geht mir aber nicht weit genug. Luc Ciompi hat schon in den 1980er-Jahren mit seiner Affektlogik einen deutlich integrativeren Ansatz vorgelegt (Die emotionalen Grundlagen des Denkens). Sein Konzept hat er an mehreren modernen Konflikten – wie dem Nahost-Konflikt – durchgespielt (Scham-Wut-Spiralen). Was Shapiro Identität nennt, ließe sich nach Ciompi leicht als Fühl-Denk-Verhaltensprogramm übersetzen. Damit ließe sich das Anliegen, das Shapiro im Interview nur andeutet, besser verstehen und bearbeiten.

Inzwischen kommt Rückendeckung auch aus der neuen Emotionspsychologie (Zwei menschliche „Betriebssysteme“?). All das zeigt mir, dass das Harvard-Konzept auf dem Weg ist, aber noch nicht da angekommen ist, wo es hinkommen könnte und sollte. Vielleicht wäre hier mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig? Wir haben inzwischen auch schöne Anregungen gesehen, das Drama der Allmende (Quadratur des Kreises?), also die Ausbeutung des Allgemeinguts durch Egoismen, zu überwinden. Weiteres ließe sich leicht ergänzen.

Vielleicht ist es mit dem Harvard-Konzept so wie mit einer starken Marke: Warum sollte man sie aufgeben oder relativieren wollen? Vor den fünf Verlockungen ist offenbar auch das Harvard-Konzept nicht gefeit.

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