INSPIRATION: Befinden wir uns gesellschaftlich in einer „Nachspielzeit“? Das behauptet der Psychologe Stephan Grünewald in einem Essay in der Wirtschaftswoche. Das ist nur ein Fazit aus einer neuen „Zuversichtsstudie“, laut der die Menschen in Deutschland hoffen, dass sie ihr gewohntes Leben noch einige Zeit führen können. Ich muss gestehen, dass ich mich an vielen Stellen erwischt fühlte. Die meisten Aussagen sind bitter. Am Ende werden zwar Lösungsansätze vorgestellt, aber diese erscheinen mir leider arg unwahrscheinlich (Mit German Angst raus aus der Trägheitsfalle!).
Der Reihe nach: Nur 23% der Befragten schauen zuversichtlich auf die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, aber 87% sehen ihr privates Glück eher optimistisch. Die Erklärung: Wir verdrängen die großen Trends, sind immer weniger bereit, uns über die Nachrichtenlage zu informieren. Uns „gelingt die Maximierung unserer Zuversicht durch Minimierung unseres Gesichtsfeldes“. Einzig die Themen, die uns persönlich berühren, schaffen es, durch den „Verdrängungsschirm“ hindurch zu scheinen, z.B. Inflation und Heizungsgesetz. Wir haben weniger Angst vor den klimatischen Veränderungen als davor, im Winter in der kalten Wohnung zu sitzen.
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Letzteres hat etwas mit der Angst vor Autonomieverlust zu tun. Wir können nicht einmal mehr in den eigenen vier Wänden nach Belieben entscheiden, ob wir es warm oder kalt haben wollen. Klimaaktivisten halten uns davon ab, zu fahren, wohin wir wollen. Und fordern sogar, uns vorzuschreiben, wie schnell wir auf der Autobahn fahren dürfen.
Wagenburgmentalität
Ändern können wir sowieso nichts. Wir tun unsere Schuldigkeit, indem wir arbeiten und Steuern zahlen. Kleine Verhaltensänderungen – Rad fahren, Fleischgenuss reduzieren, auf eine Fernreise verzichten – müssen genügen. Noch ein Trend: Wir kapseln uns ein, das „eigene Zuhause wird als Basislager für das eigene Ich zu einer Wohlfühloase ausgebaut.“ Dazu kommt, dass wir uns mit Gleichgesinnten zusammen schließen, es entsteht eine Wagenburgmentalität, die für Andersdenkende keinen Platz lässt. Ein Alarmsignal für die Demokratie.
Wer könnte die Menschen aus dieser Falle herausholen? Und wie? Die Politik, indem sie drei Ratschläge befolgt: Gemeinsame Herausforderungen aufzeigen, und zwar so, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten an der Bewältigung mitwirken können. Dazu sollte sie Etappenziele formulieren. Das hat beim Sparappell zu Beginn des Ukrainekrieges ganz gut funktioniert. Es reduziert die Komplexität und versetzt jeden in die Lage, einen Teil beizutragen. Indem er eben seine Heizung runterdreht und merkt, er ist eben nicht ohnmächtig allen Bedrohungen ausgesetzt. Und schließlich als wesentliche Herausforderung: „Eine auf einer gemeinsamen Grundüberzeugung basierende Geschlossenheit der politisch Verantwortlichen.“
Tja, und gerade mit Letzterem ist es nicht weit her. Die Regierenden sind kein Vorbild in Sachen Streitkultur. Das wäre was, oder? Wenn sie uns vormachen würden, wie man konstruktiv mit anderen Meinungen umgeht, respektvolle Auseinandersetzungen demonstriert und zu Lösungen kommt, denen alle zustimmen können. Dass sich inzwischen erschreckend viele Menschen das Leben in einer Diktatur vorstellen können, ist sicherlich eine Folge hiervon.
All das stimmt nicht sonderlich optimistisch …