INSPIRATION: Raus aus der Komfortzone! Das kennen wir. Die Extra-Meile will gegangen werden! Schon fühlt man sich unbehaglich – und ein wenig schuldig. Aber warum eigentlich?
Wir haben es hier mit einem der eher wenigen Beiträge der Fachliteratur zu tun, der scheinbar Selbstverständliches hinterfragt und so zu erhellenden Einsichten kommt. Die Autoren (Ein Plädoyer für die Komfortzone) wagen es schlicht selbst zu denken, statt unhinterfragt nachzuplappern, was andere gesagt haben. Sie legen ein Tabu offen und gehen ihm auf den Grund.
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Raus aus der Komfortzone! Das verlangt unmittelbar Taten. Und zwar zügig! Die Medien strotzen nur vor solchen Appellen. Es ist klar, dass nun Blut, Schweiß und Tränen – so seinerzeit Winston Churchill – gefordert werden: Selbstüberwindung, Risiko und Unannehmlichkeit stehen an. Doch keiner schaut zurück: „Fast alle dieser Angebote lassen allerdings offen, was dieser Bereich eigentlich ist, den es zu verlassen gilt.“ Wovon reden wir, wenn wir von der Komfortzone sprechen? Das könnte doch von Fall zu Fall recht unterschiedlich aussehen. Doch die sogenannte Komfortzone wird pauschal abgewertet. Und der Blick geht nur nach vorne: ins gleichfalls Unbestimmte. Ist das nicht paradox? Da soll etwas verlassen werden, bleibt aber zentraler Orientierungspunkt.
Das „Weg von“-Perpetuum-Mobile
Das Verlassen der Komfortzone wird mit einem pauschalen Heilsversprechen aufgewertet: Es kann nur besser werden! Versprochen werden Selbstbestimmung, Weiterentwicklung und das Besondere. Außerhalb der Komfortzone, unterm Pflaster, da liegt der Strand. Das wussten schon die Spontis der 1970er-Jahre und so sang auch Angi Domdey 1981: Unter dem Pflaster … Da wird einem gleich warm ums Herz.
Aber es ist eine blanke Utopie, schlimmer: Eine Träumerei. Ein Versprechen ohne Sicherheit. Und doch eine geniale mentale Extrapolation. Münchhausen gleich kann man sich am Schopf aus dem Alltagssumpf ziehen. „Angebote wie Workshops und Coachings zum Verlassen können unter den Scheinwerfer der Verbesserung gestellt werden, ohne in die Not einer Erklärung zu geraten, woher kommend es für die Teilnehmer:innen wohin gehen soll.“
Knüppel aus dem Sack
Der Ursprung der Idee findet sich – wenn wir die Spontis einmal ignorieren sowie ihre Vorläufer in den 1920er-Jahren – in einem Buch der Psychologin Judith Bardwick: Danger in the Comfort Zone (1991). „Bardwick analysiert die Angestelltenverhältnisse der USA in der Zeit kurz vor der Jahrhundertwende, die von dem Anspruchsdenken (entitlement) getragen seien, Erwartungen auf Gehaltserhöhungen und Beförderungen zu besitzen trotz ausbleibender Leistung (performance).“ Während zeitgleich aus ähnlichem Motiv die sogenannte Extrameile gefordert wird. Ich persönlich verbinde das mit der japanischen Herausforderung, die zur 2. Revolution in der Automobilindustrie und zu Gruppenarbeitskonzepten geführt haben. Das hierzu passende Führungsmodell heißt übrigens Transformationale Führung. Doch Judith Bardwicks Rezept ist schlicht und brutal simpel: Druck machen! „More than a carrot, you will need a stick.“
Angst einjagen
Das Konzept wandert in die Erlebnispädagogik. Da wird es sportlich reframt. Unausgesprochen zieht sich auch hier das Thema Angst durch: Wer will schon auf dem Weg zur Spitze schlapp machen? Stress, Herausforderung und Risiko – in diesem Zustand soll Lernen leichter möglich werden. Erinnert sich noch jemand an den Frosch im Wasserglas? Dem wurde Feuer unter dem Allerwertesten gemacht. Einmal langsam, einmal schnell. Angeblich wurde er im ersten Fall bei lebendigem Leibe gekocht. Im zweiten Fall sprang er mit seinem Satz aus dem Glas heraus – und überlebte. Absoluter Blödsinn, wie die Biologie erklärt. Aber die Leute haben es geglaubt! Und ließen sich Angst einjagen.
Die Kritik am Konzept
Menschen reagieren erstens sehr unterschiedlich auf Stress. Und zweitens stehen sich Stress und lösungsorientierte Selbstreflexion im Wege. Diese Erkenntnis aus der Emotionspsychologie ist schon länger bekannt, wird aber immer noch gerne ignoriert. Beim Lernen ist nicht permanente Veränderung das Ziel, sondern Stabilisierung. Doch die Selbstoptimierer predigen die ständige Erweiterung: „Das Verlassen der Zone [wird] zum universalen Selbstzweck.“ Dadurch kommt es zu einer permanenten Abwertungsspirale: Da geht noch was! Du bist noch nicht gut genug!
Aus der Motivationspsychologie wissen wir, die Weg-von-Motivation (Vermeidungsziele) sind ungünstig, sie erzeugen Angst, die Menschen nehmen sich als weniger kompetent wahr, sie erleben einen geringen Selbstwert und weniger Kontrolle, sie werten ihre Leistung ab und sind weniger ausdauernd. Annäherungsziele hingegen zu verfolgen (Hin-zu-Motivation), bringt positive Emotionen.
Aber Hand aufs Herz: Viele Menschen erbringen in ihrer Komfortzone hervorragende Leistungen. Sie erleben sich im Flow. Und kümmern sich nicht etliche Unternehmen darum, diese Komfortzone für ihre Mitarbeitenden zu schaffen? Durch Betriebliches Gesundheitsmanagement beispielsweise. Soll das alles schlecht sein? Oder ist das nicht im Gegenteil sehr gut? Warum muss man implizit unterstellen, die Komfortzone sei ein Ort für Faulenzer?
Lob der Komfortzone
Die Autoren bringen ihr Fazit auf den Punkt: „Die Komfortzone repräsentiert den persönlichen Bereich der eigenen Ressourcen, der Resilienz, Regeneration und des eigenen Kompetenzerlebens.“ Es braucht also keinen blinden Aktionismus. Sondern einen guten Wechsel von Beanspruchung und Regeneration. Die Botschaft an alle Hamsterradbewohner: Gönne dir Pausen, Urlaub, Bummeln – es ist dein Leben. Genieße es!
Rein in die Komfortzone
Diese Gedanken tun gut.
Es ist auch sehr nach vollziehbar.
Daher vielen Dank an Thomas Webers für seine Gedanken und an MW online für die Arbeit das es möglich ist, das zu lesen.