21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Die Welt, das Selbst und all der Rest

KRITIK: Werte – was für ein wertvolles Thema. Es punktet in der aktuellen Diskussion. Es wird warm, es menschelt. Was auch einlullen kann. Was wir – wie immer – gerne vermeiden wollen.

Führen braucht Werte. „Werte sind messbare Schlüsselfaktoren,“ so Autor Ulrich Vogel (Wertebasierte Führung im Arbeitsalltag). Da will ich erst einmal nicht widersprechen. Unmittelbar sind wir bei Themen wie Nachhaltigkeit, CSR und Compliance (Deep Pupose). Autor Vogel geht darauf nicht ein. Die Art und Weise, wie der Autor das Thema konzipiert, halte ich für unangemessen – und auch für irreführend. Denn er stellt positive negativen Werten gegenüber, was ich problematisch finde. Und dabei beruft er sich auf den deutschstämmigen Philosophen Robert S. Hartman, der auch lange für den Walt-Disney-Konzern geschäftsführend tätig war. Hartman unterscheidet drei – hierarchisch aufeinander aufbauende – Wertedimensionen:


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  • Die menschliche Wertedimension: „Leitsatz: Mein Bewusstsein, dass ich lebe. Fragewort: Wer. Körperteil: Herz.“
  • Die praktische Wertedimension: „Leitsatz: Was ich benötige, um zu überleben. Fragewort: Was. Körperteil: Hand.“
  • Die grundsätzliche Wertedimension: „Leitsatz: Was wir brauchen, um miteinander leben zu können. Fragewort: Wofür. Körperteil: Hirn.“

Herz, Hand, Hirn

Das hat doch was: Herz, Hand, Hirn. Aber irgendwie auch recht eigenwillig. Hartman – und in seiner Gefolgschaft Autor Vogel – machen daraus eine 6er-Matrix. Die drei Dimensionen werden auf „die Welt“ und auf „das Selbst“ bezogen. Auch das eine interessante, für mich aber fragwürdige Unterscheidung. Oder sollte ich als systemisch denkender Mensch besser Unterstellung sagen? Ich kürze die konkrete Darstellung der Matrix an dieser Stelle ab, da ich sie schlicht krude und ungeeignet finde. Auch wenn Autor Vogel behauptet: „Mit dieser einfachen Rasterung lässt sich sehr viel anfangen.“

Die Wertematrix wird für ihn zu einer „Art Universalwerkzeug, um wertebasierte Führung in die Praxis umzusetzen.“ Und das nennt er dann sogleich Value-based Leadership – hört sich gleich drei Stufen besser an als wertebasierte Führung, nicht wahr? Dass man nicht nicht führen kann, lernen wir sodann. Und dass es verschiedene Führungsstile gibt, aber wertebasierte Führung selbst der transformationalen Führung überlegen sei. Außerdem komme es auf eine wertebasierte Positionierung im Unternehmen an. Und so weiter und so fort – bis Autor Vogel mit dem Worten schließt, die ich einfach mal so stehen lassen möchte: „Die Königsdisziplin ist für mich, Teamdynamiken zu durchschauen, zu beherrschen und damit steuern zu können.“

Wertekongruenz

Interesse an einer Alternative? Neben den Werte-Konzepten von Ronald Inglehart und Geert Hofstede ist das von Shalom Schwartz in der Wissenschaft populär geworden. Werte repräsentieren nach Schwartz biologische, soziale und ökonomische Grundbedürfnisse. Daraus leitet er 19 motivational differenzierte Wertetypen (Lebensorientierungen) ab, die er in einem Circumplex anordnet. In der kreisförmigen Anordnung liegen benachbarte Werte nebeneinander (z.B. Tradition und Sicherheit), komplementäre (z.B. Selbstbestimmung und Tradition) liegen gegenüber. Auf einer Metaebene liegen den Wertetypen zwei Wertedimensionen zugrunde: Wachstum ohne Angst sowie Selbstschutz und Angstvermeidung. Hier gibt es also nicht positive und negative Werte an sich wie bei Hartman, sondern der grundsätzliche Wille, das Bestehende zu bewahren, kann als genauso berechtigt angesehen werden wie die prinzipielle Offenheit für Neues.

Im Coaching geht es deshalb auf dieser Basis zumeist um das Thema Wertekongruenz (Werte und ihre Bedeutung im Coaching). Ob man mit seiner allgemeinen Wertorientierung in einem spezifischen Kontext gut andocken kann, stellt sich als wichtige Frage – beispielsweise in der Berufs- oder Arbeitgeberwahl. Wobei solches nicht schwarz-weiß verstanden werden sollte. Gut ist ein mittleres Maß an Kongruenz.

Womit sich auch gleich erschließt, dass man mit dem Konzept nicht übereilt in die Personalauswahl durchstarten sollte – nach der simplen Topf-Deckel-Metapher. Denn – auch das ist eine Erkenntnis aus der Werteforschung: Zwischen allgemeinen Werten und konkretem Handeln liegt noch eine längere Wegstrecke. Und für den Erfolg im Berufsleben sind – neben Werten – noch ganz andere Dinge wichtig.

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