KRITIK: Das Stichwort „Resilienz“ gehört zum Dauerfeuer, das auf Führungskräfte und Mitarbeitende seit Jahren eintrommelt. Wer nicht resilient ist, der kann es im Wirtschaftsleben gleich sein lassen. Nach dem alten Fisherman’s Friends-Motto: Sind sie zu stark, bist Du zu schwach!
Dabei ist diese Argumentation das glatte Gegenteil seiner ursprünglichen Bedeutung. Denn am Anfang stand das Staunen darüber, dass es Menschen gibt, die auch unter extremen Stress und Leiden nicht aufgeben, nicht gebrochen werden, sondern weiter ihren Weg gehen: Trotz KZ oder anderen unsäglichen Schicksalsschlägen. Doch clevere Business-Propheten schafften es, die Story um 180 Grad zu drehen. Heute heißt es: Du musst stark genug sein fürs Business! Aus einem Ergebnis ist eine Anforderung geworden. Und zahlreiche Trainer, Gurus, Speaker versprechen ihrem Publikum genau das: Unkaputtbar zu werden. Doch was für eine menschenfeindliche Hybris! So gab es schon früh Kritik an diesem unsäglichen Spiel.
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Doch es geht auch anders: Man verortet das Konzept in einem wissenschaftlichen, weniger aufregenden als nüchternen Framework – dem Belastungs-Beanspruchungsmodell aus der Arbeitspsychologie. Dafür müssen wir – wie es die ISO 10075 seit 20 Jahren schon vormacht – etwas weiter ausholen. Psychische Belastungen sind alle Einflüsse, die von außen auf Menschen einwirken wie Lärm, Zeitdruck oder sozialer Stress. Doch Menschen werden unterschiedlich stark von diesen objektiven Belastungen beansprucht. So sind Anfänger im Job schnell überfordert, Fortgeschrittene grinsen derweil bloß.
Was macht also den Unterschied?
Persönliche Ressourcen wie Gesundheit, Sport und Freizeitbeschäftigungen machen den Unterschied, aber auch mehr oder weniger geeignete Bewältigungsstrategien. Und soziale Unterstützung. Aber auch Merkmale des Arbeitsumfelds wie Handlungsspielraum, Transparenz, gute Arbeitsgestaltung. So überrascht die Erkenntnis nicht wirklich, dass man starke Beanspruchung zum Teil kompensieren kann. Indem man nun genau diese Ressourcen nutzt. Diese Erkenntnis ist in der Arbeitspsychologie schon seit vielen Jahren Common Sense.
Aber vielleicht ist diese Herangehensweise für schlichte Gemüter zu anspruchsvoll? Resilienz klingt einfacher. Was aber einen entscheidenden Nachteil hat: Man schaut nur (!) auf das Individuum. Nicht auf die Arbeitsgestaltung, nicht auf die Führung … Resilienz ist folglich ein ideologischer (Kampf-)Begriff geworden.
Der Beitrag (Resilienzförderung am Arbeitsplatz) übernimmt die wissenschaftliche Perspektive. Das ist erfreulich. Es werden Ergebnisse einer Metaanalyse zur Wirksamkeit von Trainings sowie zwei Studien zu Resilienztrainings referiert. Dabei kreist der Blick rund um Resilienz als dynamischer Anpassungs- und Lernprozess. Resilienztrainings, so das Fazit, können Arbeitsleistung, psychische Gesundheit und Wohlbefinden fördern. Sie wirken vor allem kurzfristig. Und Qualität der Trainings schlägt Quantität. Es sind wohl vor allem Blended Learning-Ansätze, die überzeugen. Doch ist die Forschungslage auch noch nicht allzu fundiert. Und, was auch hier wieder auffällt: Über die Rolle von Arbeitsgestaltung und Führung liest man wieder nichts. Es ist klar, solche Studien sind aufwändiger, und auch die Konsequenzen (Verhaltens- vs. Verhältnisprävention) für die Unternehmen sind aufwändiger, wenn man mehr tun möchte als bloß zu predigen: An apple a day keeps the doctor away …